Berlin. Im internationalen Vergleich steht Deutschland bei der Arztdichte mit 4,1 praktizierenden Ärzten je 1.000 Einwohner auf einem der Spitzenplätze. Die Zahl liegt um knapp ein Viertel über dem internationalen Durchschnittswert. Der Ärzteatlas 2016 des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) zeigt zudem, dass die Arztdichte in Deutschland zwischen 1991 und 2015 um knapp 50 Prozent zugenommen hat. Bei den niedergelassenen Ärzten gibt es keinen Ärztemangel, sondern vielfach Überversorgung. „Die Versorgungslage ist durch eine steigende Arztdichte, aber auch durch erhebliche Verteilungsprobleme gekennzeichnet. Die Überversorgung in einigen Regionen bindet Ressourcen, die anderswo fehlen“, sagt Helmut Schröder, stellvertretender Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) anlässlich der Veröffentlichung.
Im Jahr 2015 wurden mit 456 berufstätigen Ärzten je 100.000 Einwohner deutschlandweit fast 50 Prozent mehr Mediziner gezählt als noch im Jahr 1991 mit 304 Ärzten. Dabei verzeichneten alle Bundesländer deutliche Zuwächse. Seit 1980 hat sich die Arztdichte in Deutschland sogar mehr als verdoppelt. Im internationalen Vergleich liegt Deutschland bei der Arztdichte auf Platz 5 von insgesamt 34 Staaten.
Arztzahlen liegen bei allen Arztgruppen über dem „Soll“
Nach den Regeln der aktuellen Bedarfsplanung für die ambulante vertragsärztliche Versorgung liegt in Deutschland insgesamt kein Ärztemangel vor, vielmehr wird das Plansoll über alle Arztgruppen hinweg bundesweit um fast ein Drittel übertroffen. Der Gesamtversorgungsgrad liegt bei sämtlichen Fachrichtungen deutlich über dem Soll. Selbst im vieldiskutierten hausärztlichen Bereich ergibt sich 2015 bundesweit ein Gesamtversorgungsgrad von 109,6 Prozent. Bezogen auf die Ebene der Kassenärztlichen Vereinigungen gibt es nirgendwo eine Unterdeckung. Insgesamt sind 44 Prozent aller Planungsbereiche bei Hausärzten rechnerisch überversorgt. Es gibt also insgesamt mehr Hausärzte, als im Rahmen der Bedarfsplanung nötig wären. „Allerdings zeigen sich“, so Schröder, „zum Teil enorme regionale Unterschiede: Einer Unterversorgung oder drohenden Unterversorgung in einigen Landstrichen steht eine deutliche Überversorgung insbesondere in Ballungsgebieten und für Ärzte attraktiven Regionen gegenüber.“
Nachwuchs vor allem bei Hausärzten benötigt
Vor allem im hausärztlichen Bereich gibt es eine große Zahl an älteren Ärzten, die vermutlich auf absehbare Zeit Praxisnachfolger suchen werden oder dies bereits tun. Bundesweit ist ein Drittel der Hausärzte 60 Jahre oder älter. Zwar muss, insbesondere in den überversorgten Städten und Kreisen, nicht jeder frei werdende Arztsitz wieder besetzt werden. Kritischer stellt sich die Lage allerdings dort dar, wo ungünstige Faktoren zusammenkommen: Niedriger Versorgungsgrad, hoher Altersanteil bei den Ärzten und Schwierigkeiten mit der Wiederbesetzung. „Ärztlicher Nachwuchs wird in den kommenden Jahren vor allem im hausärztlichen Bereich benötigt“, so Schröder.
Mit dem Ärzteatlas 2016 legt das WIdO das regionale Versorgungsangebot der Vertragsärzte auf der Basis aktueller Zahlen umfassend offen. Für 23 Fachrichtungen werden aktuelle regionale Versorgungsgrade auf Karten ausgewiesen und so auch das Ausmaß an Über- und Unterversorgung differenziert dargestellt. Die dargestellte Versorgungslage basiert auf den aktuell gültigen Kennziffern der vertragsärztlichen Bedarfsplanung, die vom Gemeinsamen Bundesausschuss beschlossen und in der Bedarfsplanungsrichtlinie dokumentiert worden sind. Dabei werden regionale Abweichungen berücksichtigt, die von den Zulassungsausschüssen auf Landesebene vorgenommen wurden.
Um ein realistisches Bild der Situation zu zeigen, sei es sinnvoll, die ärztliche Versorgung und den Bedarf in Zukunft verstärkt sektorenübergreifend zu betrachten, betont Schröder: „Die Versorgungsrealität lässt sich besser abbilden, wenn zum Beispiel bei der Versorgung mit Kinder- und Jugendpsychiatern auch der stationäre Bereich mit einbezogen wird.“ Das WIdO werde sich daher verstärkt der Frage widmen, ob und wie eine sektorenübergreifende Transparenz über die ärztliche Versorgung gelingen kann.
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